„… ich habe lesen, dass Sie erfolgreich mit Ärzten arbeiten. Können wir uns treffen – für ein Motivations-Coaching? Es ist dringend!“
Die Anfrage klang erstmal vertraut und wir vereinbarten ein Gespräch in Verbindung mit einem Spaziergang im Taunus. So weit, so gut. Doch dann kam alles anders.
Die engagierte Oberärztin
Die Oberärztin, Mitte 50, seit über 20 Jahren mit Freude an einer Klinik tätig, begann sofort zu erzählen. Ich hörte erstmal zu. Ich spürte sehr viel Engagement und hohe Belastung. Durch Kündigungen von Kollegen und Krankheitsvertretungen hatte sie zeitweise die Aufgaben von vier Personen inne, darunter auch die kommissarische leitende Oberarztfunktion. Seit einem halben Jahr war die Belastung so hoch, dass sie nur noch 3-4 Stunden täglich schlief. Den Stress versuchte sie mit Essen zu kompensieren und hatte bereits 10 kg zugenommen. Sie merkte zunehmende Antriebslosigkeit auf Arbeit und war abends fast zu müde, um für ihre Kinder Abendessen zu kochen. In jüngerer Vergangenheit schaffte sie ihre Arbeit nicht mehr, z.B. Gutachten fertigzuschreiben. Und aktuell hatte sie von der Klinikleitung einen neuen Aufgabenbereich zugeordnet worden, was sie als persönliche Kränkung und Missachtung ihrer jahrelangen Berufserfahrung empfand.
Wie verhalte ich mich als Coach richtig?
Jetzt soll ich als Coach helfen, dass die Motivation zurückkommt?
Ich war innerlich hin und her gerissen. Ich erkannte die Symptome des Burnouts. Und mir war klar, diese Frau braucht erstmal medizinische und psychotherapeutische Unterstützung. Kein Coaching. Und selbst wenn die Frage nach einem evtl. Wechsel der Klinik im Raum stand, war die Oberärztin derzeit gar nicht in der Lage sich zu bewerben. Sie sagte selbst, sie fände nicht die Kraft, ihren Lebenslauf zu aktualisieren.
Ich hatte nun die Möglichkeit, ein klassisches Coachinggespräch mit Fragen und Perspektivwechseln zu beginnen. Damit sie von selbst darauf kommt, sich ärztliche Unterstützung zu holen. Aber mein Bauch und mein Herz sagten etwas anderes: Erzähl von Deiner Erfahrung mit einer anderen Coachee.
Ich erzählte der Oberärztin, dass die andere Frau, ebenfalls in Führungsposition, lange unter zu großer beruflicher Belastung stand. Dies führte nach fast einem Jahr dazu, dass auch sie nur noch 2-3 Stunden pro Nacht schlief. Sie hatte ein sehr großes Verantwortungsgefühl und ständig einen Berg von Dingen im Kopf, die sie noch zu erledigen hatte. Im Privaten war sie sehr dünnheutig geworden. Und auch auf Arbeit merkte sie, dass sie sich verändert hatte. Ihr war es immer wichtig gewesen, eine verständnisvolle Führungskraft zu sein, die ihren Mitarbeitenden zuhört. Diese unterstützt ihre eigenen Lösungen zu entwickeln. In der Drucksituation jedoch war sie härter und ungeduldiger geworden. Und sie ärgerte sich schließlich über sich selbst, dass sie ihrem eigenen Anspruch nicht mehr genügte. Ihre Suche nach Hilfe auf der Arbeit war nur teilweise erfolgreich und erste Fehler schlichen sich ein. Sie wollte und musste etwas ändern! Schließlich ging sie zu ihrer Hausärztin, welche sie sofort aus dem Verkehr zog.
Die Frau hatte das Ziel: „Ich will gestärkt aus der Situation herauskommen: Das heißt – nicht nur wieder gesund werden, sondern auch lernen, nicht mehr in so eine Situation zu geraten.“ Es dauerte ein halbes Jahr inkl. einem mehrwöchigen Aufenthalt in einer Klinik. Und sie hat es geschafft. Inzwischen nutzt sie bei Bedarf Coaching.
Die Wirkung bei der Oberärztin
Die Oberärztin erkannte sich in meinen Erzählungen wieder. Sie erzählte mir, dass sie ja die Symptome selbst schon erkannt hatte. Sich aber innerlich noch nicht erlaubte, sich dies einzugestehen. Und ihren eigenen Patienten riet sie auch, ärztliche und psychotherapeutische Hilfe anzunehmen.
Am Ende des Gesprächs entschied die Oberärztin: Sie sucht sich ärztliche Unterstützung. Und wenn Sie wieder die Kraft hat, sich um ihre berufliche Situation zu kümmern, dann treffen wir uns für das nächste Gespräch – für ein Coaching.