Berufsübergreifender Respekt schafft Psychologische Sicherheit
… Am Boden eine Pfütze. Weiter oben tropft aus dem Dreiwegehahn an der Infusionsleitung das Medikament heraus. Später erzählt eine Pflegekraft ihrer Kollegin: „Ich hab genau gesehen, wie der Oberarzt die Infusion falsch angeschlossen hat. Aber der glaubt ja, er weiß immer alles besser. Ich wollte nicht wieder zusammengestaucht werden. Deshalb hab ich nichts gesagt. Und später? Musste ich wieder die Sauerei wegmachen. Typisch!“
Die Pflegefachkraft sah einen Fehler. Aber negative Vorerfahrungen hielten sie von einem Hinweis an den Oberarzt ab, wodurch letztlich ein Patient gefährdet wurde. Dieses Beispiel ist leider keine Seltenheit. Und es zeigt, hier sind alle gefordert – in ihrer Haltung und im Handeln.
Vom Flugzeug fürs Krankenhaus lernen
Fluggesellschaften trainieren bereits seit vielen Jahren die interdisziplinäre Kommunikation und Zusammenarbeit. Denn sie wissen, jede*r ist wichtig. Jede*r kann einen Fehler bemerken. Und Fehler zu erkennen, weiterzugeben und entsprechend zu handeln, rettet im Zweifel allen an Bord das Leben.
Wo ist dann der Unterschied zum Krankenhaus? Hier geht es vermeintlich „nur“ um das Leben der Patient*innen und weniger um ein Risiko für das Personal. Wobei sich das durch Corona auch bereits geändert hat.
In der Unfallchirurgie wurde die Wichtigkeit des offenen Umgangs mit Fehlern bereits vor Jahren erkannt. Eine hierarchie- und berufsgruppenübergreifende Kommunikation wird gezielt trainiert.
Und was sagt das New Work-Modell dazu?
Vera Stark, Davis-Ruben Thies und Mona Frommelt beschreiben in ihrem Buch „New Work in der Medizin“ die sieben Prinzipien des New-Work-Modells. Und im Prinzip 2 geht es um die Kooperation der Professionen. Darin werden die Aspekte von Psychologischer Sicherheit und Fehlerkultur vorgestellt. Das bestmögliche Ergebnis für die Patient*innen steht für alle Berufsgruppen im Mittelpunkt und dafür werden Vorurteile gegenüber den anderen Professionen aufgegeben. Es kommt zunächst zu mehr Fehlermeldungen, denn die Einzelnen haben keine Angst mehr. Doch das Lernen daraus schafft letztlich mehr Sicherheit. Es besteht die Chance auf eine „Sicherheitskultur“ statt „Fehlerkultur“.
Miteinander statt übereinander kommunizieren
Doch wie gelingt eine interdisziplinäre Kommunikation? Aus meiner jahrelangen Erfahrung weiß ich, es geht nur miteinander. Ein Austausch zwischen allen Beteiligten darüber, was ihnen wichtig ist: für die eigene Arbeit, für die Zusammenarbeit und wie sie miteinander kommunizieren möchten. Im gemeinsamen Dialog werden Missverständnisse erkannt und aufgelöst. Es wird die Basis gelegt und Vertrauen geschafft. Und darauf aufbauend entsteht psychologische Sicherheit. Ich darf, soll und werde mit allen in den Austausch gehen. Auch über Fehler und Missverständnisse sprechen. Und das erleichtert uns nicht nur die Zusammenarbeit. Es kann auch Leben retten.